Freitag, 8. Oktober 2010

Imam-Ausbildung in Tübingen

Islam - Muslime

Stuttgart/Tübingen - An der Universität Tübingen werden vom nächsten Jahr an erstmals in Deutschland islamische Geistliche ausgebildet. Geplant sei, dass in einigen Jahren sechs Professoren bis zu 320 Studenten unterrichten, teilte das Staatsministerium am Dienstag in Stuttgart mit. Das Landeskabinett hatte am Montagabend die Einrichtung eines Fachbereichs für Islamische Studien zum Wintersemester 2011/2012 beschlossen. Jetzt bewirbt sich das Land um eine finanzielle Beteiligung des Bundes.

Die bundesweit geplanten Institute für islamische Theologie sind etwas Neues an deutschen Universitäten. Erstmals werden Imame in Deutschland und vor allem in deutscher Sprache ausgebildet. Bislang kommen muslimische Vorbeter meist aus der Türkei, sprechen kein Deutsch und kennen die westeuropäische Kultur kaum. Experten sehen darin ein großes Hemmnis für die Integration von Muslimen. Auch muslimische Pädagogen und Sozialarbeiter sollen in Tübingen ausgebildet werden.

Bei der Entwicklung des neuen Studiengangs will sich Tübingen auch an Lehrplänen von türkischen und ägyptischen Hochschulen orientieren. "Dort gibt es wissenschaftlich herausragende Fakultäten. Allerdings müssen wir sicherlich Präzisierungen vornehmen, die den deutschen Gegebenheiten Rechnung tragen", sagte Rektor Bernd Engler der Nachrichtenagentur dpa. Dabei gehe es um die Frage, was islamische Theologie in Deutschland ausmache. Bei der Suche nach Professoren werde die Universität wert darauf legen, muslimische Theologen zu finden, die zumindest einen Teil ihrer akademischen Laufbahn in Deutschland absolviert haben.

Ministerpräsident Stefan Mappus und Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (beide CDU) erwarten, dass der neue Studiengang zahlreiche Veränderungsprozesse bei den Muslimen anstoßen werde. "Die akademische Ausbildung bildet dabei auch einen wichtigen Schutz gegen jede Form der Abschottung, der Entwicklung von Parallelgesellschaften und des Extremismus", teilten beide mit. Im Südwesten leben gut 600 000 Muslime, in Deutschland sind es rund vier Millionen. Die Hälfte der Kosten für den Studiengang will das Land übernehmen. Eine Professur soll die Universität aus eigenen Mitteln beisteuern, für zwei Lehrstühle hofft das Land auf Geld vom Bund. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hatte angekündigt, an zwei bis drei deutschen Hochschulstandorten die Einrichtung islamischer Zentren zu unterstützen.

Anders als Heidelberg und Freiburg, die sich ebenfalls um den Studiengang beworben hatten, war es der Universität Tübingen gelungen, wichtige islamische Verbände auf ihre Seite zu ziehen. Die sollen in einem "Rat für islamische Studien" an der Entwicklung des Lehrangebots und bei der Berufung der Professoren maßgeblich beteiligt werden. "Dieser Beirat ist die notwendig, um die notwendige Legitimation der neuen universitären Ausbildung in den islamischen Gemeinden sicherzustellen", sagte Frankenberg.

An deutschen Hochschulen wird bislang nur ein sehr kleiner Teil der islamischen Religionslehrer ausgebildet - vor allem in Münster. Weiterbildungsangebote gibt es an Hochschulen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Der überwiegende Teil der an deutschen Schulen eingesetzten islamischen Religionslehrer wie der Imame kommt bisher aus der Türkei.

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